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Hintergrund
In jedem Land gibt es Bauten, die gesellschaftspolitische Veränderungen über Jahrzehnte dokumentieren und in den Phasen ihrer Entstehung, Erweiterung und Veränderungen fundamentale und oft widersprüchliche historischen Prozesse und Wertvorstellungen repräsentieren.
Diese Bedeutung hat für die tschechische Republik das Gebäudeensemble auf dem Strahov-Hügel, darunter vor das Strahov- oder Masaryk-Stadion. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Sportstätten, die in den 1920er und 1940er Jahren vom tschechischen Turnerbund Sokol für die Massenveranstaltungen bei den sogenannten All-Sokol-Festen errichtet wurden. Da Sokol unter seinen Mitgliedern bewusst einen patriotischen Geist und demokratische Werte pflegte, wurde der Verein sowohl von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs als auch von den Kommunisten in den 1950er Jahren verboten. Danach missbrauchten letztere die Popularität der gemeinsamen körperlichen Ertüchtigung, um ihre totalitäre Ideologie zu präsentieren. Sie ersetz-ten die All-Sokol-Feste durch landesweite Spartakiaden.
Der gegenwärtige marode Zustand dieser Gebäude und ihre nur sporadische Nutzung verdeut-lichen die Hilflosigkeit, die die tschechische Gesellschaft nach der Rückkehr zur Demokratie gegenüber großen Ideen und Massenaktivitäten erlebt. Aber vielleicht kommt nun, drei Jahr-zehnte später und mit einem Generationswechsel, die Zeit, in der es möglich sein wird, dieses Thema mit einem tieferen und ideologisch unbelasteten historischen Verständnis und mit einer neuen urbanen Sensibilität anzugehen.
Lage und Bedeutung des Areals
Das Areal befindet sich auf dem Gipfel des Petrín, einer der drei Hügeln, auf die man von der Prager Altstadt schaut und die weiterhin grün geprägt sind. Die Zusammensetzung des gesamten Sportkomplexes einschließlich der Wohnheime orientiert sich an einer Achse, die von wichtigen Denkmälern der tschechischen Geschichte bestimmt wird: dem Schlachtfeld der Schlacht von Bílá Hora und dem Nationaltheater in Národní trída. Der Žižkov-Turm steht heute in Verlängerung dieser Achse.
Der Gelände grenzt im Bereich der Studentenwohnheime direkt an den Weltkulturerbebereich der Stadt Prag, im Nordosten ist es von der barocken Bastionsbefestigung geprägt. Nach Osten setzt sich das Gebiet durch den Ladronka-Park fort, der viele sportliche Aktivitäten ermöglicht.
Entwicklung des Strahov-Stadions
Das Strahov-Stadion gilt als das größte Sportstadion der Welt. Seine monumentale Architektur wurde von vielen einflussreichen tschechischen Architekten der Zwischenkriegs- und Nachkriegs-zeit geprägt. Gestalterische und konstruktive Qualitäten sind trotz des maroden Zustands noch immer spürbar.
Das Sportfeld misst etwa 200 x 340 m; Die Kapazität beträgt 250.000 Zuschauer, davon 56.000 Sitzplätze. Die Größe und Entfernung der Zuschauer vom Areal ließ es nie zu, normale Sportver-anstaltungen oder Turniere durchzuführen. Aus diesem Grund verlor das Stadion nach 1989 seine Nutzung und begann zu verfallen. All-Sokol-Festivals finden aber immer noch in einem kleineren Stadion in Eden statt.
Ein einmaliges Ereignis war der Auftritt der Rolling Stones im Sommer 1990, die damals vor 150.000 Fans spielten. In den 1990er Jahren wurde versucht, das Stadion für große Messen und Ausstellungen zu nutzen; die sanierungsbedürftige Struktur mit unzureichender Ausstattung konnte jedoch nicht mit dem neu errichteten Messegelände in Letnany konkurrieren. Derzeit wird das Stadion vom Fußballverein Sparta (bis 2030) gepachtet, der acht Trainingsplätze und Nebengebäude betreibt. In der Osttribüne befindet sich ein öffentlich zugängliches Schwimmbad.
Seit 2003 ist das Strahov-Stadion (Masaryk-Stadion) als Baudenkmal eingetragen. Schutzgegenstand sind die historischen Tribünen (nicht der westliche Anbau aus den 1980er Jahren) und die Freisportfläche des Stadions.
Aufgabenstellung
Ziel des Projektes ist es, Möglichkeiten und Ansätze für die zukünftige Nutzung des Stadions und die städtebauliche und freiraumplanerische Entwicklung des Gesamtareals zu formulieren.
Wichtige Punkte sind in diesem Zusammenhang:
• Der Entwurf muss den Standort im Bezug zur ganzen Stadt berücksichtigen.
• Der Strahov Hügel ist eine freiräumliche und topografische Situation mit spiritueller Dimension – die „Prager Akropolis“.
• Das Gebiet soll den Funktionen Bildung, Forschung (z. B. Campus der CVUT), Sport, Erholung und Kultur dienen und das studentisches Wohnen erhalten.
• Es ist wichtig, das Programm und die Inhalte für das großes Stadion als Schlüssel für das Gesamtareal zu nutzen und die Anforderungen an den Denkmalschutz (seit 2003) zu definieren.
• Der Entwurf sollte die „Durchlässigkeit“ des Stadions überprüfen.
Übersetzung des englischen Textes von Jana Zdrahalova (CVUT) unter "Materialien"
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